Vorsicht, kulturelle Falle! – Interkulturelles Kompetenztraining für Haupt- und Ehrenamtliche in der Integrationsarbeit
Für haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter*innen in der Integrationsarbeit hat der Caritasverband für den Rhein-Neckar-Kreis e.V. gemeinsam mit der Römisch-katholischen Kirchengemeinde Schwetzingen am 25. Juni 2024 ein interkulturelles Kompetenztraining im Josefshaus Schwetzingen durchgeführt.
Unter der Überschrift „Vorsicht, ‚kulturelle‘ Falle!“ sensibilisierte Dr. Jörg Sieger, der beim Caritasverband für die Erzdiözese Freiburg e.V. das Projekt Interkulturelle Ehrenamtskoordination leitet, in einem eintägigen Workshop die Teilnehmenden für kulturelle Unterschiede. Projektmitarbeiterin Gabriele Wurl vom Caritasverband für den Rhein-Neckar-Kreis e.V. hat die Fortbildung organisiert und begleitet.
„Es geht um Verstehen – nicht um Verständnis“, stellte Dr. Sieger gleich zu Beginn klar. Man müsse immer genau hinschauen. Dass man allerdings immer nur das sieht, was man kennt, demonstrierte Dr. Sieger den 13 Teilnehmer*innen eindrücklich am Beispiel eines Rollenspiels, in der eine Frau mit gesenktem Blick barfuß auf dem Boden kniete. Anders als von den Teilnehmer*innen beurteilt, war die Haltung jedoch kein Symbol der Unterwürfigkeit und die fehlenden Schuhe waren auch kein Anzeichen von Armut, sondern deuteten in der erfundenen matriarchalen „Albatros-Kultur“, der die Frau angehörte, auf ihr Privileg hin, der verehrten Mutter Erde besonders nah sein zu dürfen. Dies führte den Teilnehmer*innen wirkungsvoll vor Augen, dass alles, was man sieht, durch einen Filter geht. „Ein Mechanismus, der gar nicht schlimm ist, sondern sogar lebensnotwendig“, erklärte Dr. Sieger. Sich dessen bewusst zu sein, sei aber ebenso wichtig.
Gemeinsam trugen die Teilnehmer*innen zusammen, wie ein typisches Klassenzimmer, ein typisches Krankenzimmer und ein typischer Arbeitsplatz aussehen und kamen schnell zu der Erkenntnis, dass die Vorstellungen immer an die eigene Lebensrealität angelehnt und zudem oft stark von eindimensionalen Erinnerungen geprägt sind. „Typisch ist immer irgendwie von gestern“, fasste Dr. Sieger zusammen.
Mittels eines weiteren Rollenspiels versetzte Dr. Sieger die Teilnehmer*innen in eine besondere Situation, die mit der von geflüchteten Menschen vergleichbar ist, die aus einem anderen Orientierungssystem kommen und der hiesigen Sprache nicht mächtig sind: Ohne sprechen zu dürfen, sollten die Teilnehmer*innen eine Kartenspiel-Meisterschaft miteinander austragen, dessen Regeln sie erst kurz zuvor in schriftlicher Form erhielten. In einer weiteren Simulation wurden die Teilnehmenden in zwei verschiedene erfundene Kulturen eingeteilt und sollten versuchen ein Anliegen mit gegensätzlichen Interessen miteinander zu klären.
Am Ende des Workshops waren sich die Teilnehmenden einig, dass die methoden- und erkenntnisreiche Veranstaltung eine große Bereicherung für die eigene Arbeit war, und äußerten den Wunsch nach einer Fortsetzung, in der konkrete Fälle aus der Praxis mitgebracht und im Team mit Dr. Sieger reflektiert werden sollten. „In diesem ersten Basismodul geht es vor allem um eine erste Sensibilisierung für kulturelle Unterschiede und um ein Bewusstwerden der eigenen kulturellen Prägung“, erläuterte Gabriele Wurl den Ansatz des Workshops. „Ein weiteres Modul mit konkreten Fallbeispielen aus dem Arbeitsalltag des Integrationsmanagements ist aber zeitnah geplant“, stellte Wurl in Aussicht.
Im Rahmen der interkulturellen Woche wird die Fortbildung „Vorsicht, ‚kulturelle‘ Falle!“ noch einmal am 24. September und 1. Oktober trägerübergreifend im Schwetzinger Josefshaus sowie am 8. Oktober in Sinsheim stattfinden. Interessierte haupt- und ehrenamtlich Engagierte können sich bei Gabriele Wurl (g.wurl@caritas-rhein-neckar.de) für die kostenlose Fortbildung anmelden.