Von den „BARNGA-Meisterschaften“ bis zur „Albatros-Kultur“: Interkulturelles Kompetenztraining in Sinsheim
„Vorsicht, ‚kulturelle‘ Falle!“ hieß es am 8. Oktober im Evangelischen Gemeindehaus Sinsheim. Als Beitrag zur Interkulturellen Woche hat der Caritasverband für den Rhein-Neckar-Kreis e.V. gemeinsam mit dem katholischen Dekanat Kraichgau sowie dem trägerübergreifenden Vorbereitungskreis der Stadt Sinsheim ein kostenloses interkulturelles Kompetenztraining angeboten. Dr. Jörg Sieger vom Caritasverband für die Erzdiözese Freiburg e.V. sensibilisierte die 18 Teilnehmer*innen in einer Mischung aus Vortrag, Übung und Rollenspiel für kulturelle Unterschiede.
Dekan Thomas Hafner begrüßte zunächst alle Teilnehmenden und dankte für das Interesse an diesem wichtigen Thema, das auch im Hinblick auf den aktuellen Kirchenentwicklungsprozess ein wichtiger Baustein sei. Er bedankte sich herzlich auch bei Inge Baumgärtner, die den Sinsheimer Rat der Religionen im Auftrag der Stadt Sinsheim moderiert. Erst vor kurzem hatte dieser bereits zum zweiten Mal ein interreligiöses Friedensgebet in Sinsheim durchgeführt. Ebenso dankte er Gabriele Wurl vom Caritasverband, die das Thema und die Verbindung zur Kirchengemeinde hergestellt hat. Es sei wichtig, so Dekan Hafner, Interesse an anderen Kulturen und Religionen zu haben und mit ihnen in Dialog zu treten. So könne man auch die eigene Kultur und Religion neu schätzen lernen und anderen mit Wertschätzung und Respekt begegnen.
„Es geht um Verstehen – nicht um Verständnis“, stellte Dr. Sieger gleich zu Beginn des Workshops klar. Dass man immer nur das sieht, was man kennt, demonstrierte Dr. Sieger den Anwesenden eindrücklich am Beispiel eines Rollenspiels, in der eine Frau mit gesenktem Blick barfuß auf dem Boden kniete. Anders als von den Teilnehmer*innen beurteilt, war diese Haltung jedoch kein Ausdruck der Unterwürfigkeit und die fehlenden Schuhe waren auch kein Anzeichen von Armut, sondern deuteten in der erfundenen matriarchalen „Albatros-Kultur“, der die Frau angehörte, auf ihr Privileg hin, der verehrten Mutter Erde besonders nah sein zu dürfen. Dies führte den Anwesenden wirkungsvoll vor Augen, dass alles, was man sieht, durch einen Filter geht. „Ein Mechanismus, der gar nicht schlimm ist, sondern sogar lebensnotwendig“, erklärte Dr. Sieger. Sich dessen bewusst zu sein, sei aber ebenso wichtig.
Mittels eines weiteren Rollenspiels versetzte Dr. Sieger die Teilnehmer*innen in eine besondere Situation: Ohne miteinander sprechen zu dürfen, sollten sie die so genannten „BARNGA-Meisterschaften“ im Kartenspiel austragen, deren Regeln sie erst kurz zuvor schriftlich erhalten hatten. Die Herausforderung bestand nicht nur darin, sich stumm zu verständigen, sondern auch darin, dass – wie sich erst am Schluss herausstellte – jeder ein anderes Regelwerk erhalten hatte. Die Teilnehmenden wurden so in die Situation von geflüchteten Menschen hineinversetzt, die der hiesigen Sprache nicht mächtig sind und aus einem anderen Orientierungssystem kommen.
Die methoden- und erkenntnisreiche Veranstaltung kam bei den Teilnehmer*innen sehr gut an und wurde als große Bereicherung wahrgenommen. „Vor allem haupt- und ehrenamtlich Engagierte in der Flüchtlingsarbeit sollten ein solches interkulturelles Training besuchen“, lautete eine der vielen positiven Rückmeldungen zur Fortbildung, die Zugänge zu anderen Sichtweisen eröffnete. Neben theoretischen Inputs gelang es Dr. Sieger, die Selbstreflexion zu aktivieren. Schließlich hat jeder Mensch eine individuelle kulturelle Prägung, die den eigenen Blick lenkt und prägt.