Die Tafel Weinheim blickt auf 20-jähriges Bestehen zurück

Vor 20 Jahren wurde die Tafel Weinheim „Appel+Ei“ gegründet, genauer: am 12. März 2003. Vieles hat sich seither verändert, aber eines ist immer gleich geblieben: Bei „Appel+Ei“ können Menschen mit geringem Einkommen für wenig Geld selbstbestimmt einkaufen.

Am 29. März beging die Tafel Weinheim ihr Jubiläum mit ihren Kund*innen, ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen und wichtigen Wegbegleitern (von links): Hans Klemm von der Tafel Baden-Württemberg, Ladenleiter Nazih Bazzi, Weinheims Erster Bürgermeister Dr. Thorsten Fetzner, Stefan Dugeorge, Referatsleiter Soziale Dienste des Caritasverbands, stellvertretender Ladenleiter Reiner Rohr und Manfred Grau, Vorstandsvorsitzender des Caritasverbands für den Rhein-Neckar-Kreis e.V.

„Die ursprüngliche Idee war, wohnungslose Menschen, die unsere Tagesstätte in der Paulstraße 2 besuchten, mit Lebensmitteln zu versorgen“, erinnert sich Sylvia Daumel, die 35 Jahre lang für den Caritasverband für den Rhein-Neckar-Kreis e.V. in der Verwaltung tätig war. Im September vergangenen Jahres ging sie in Rente und packt seither ehrenamtlich jeden Freitag bei „Appel+Ei“ mit an. Alexander Batzill, der damals in der Wohnungslosenhilfe tätig war, hat das Tafel-Projekt gemeinsam mit dem „Weinheimer Mittagstisch“ initiiert, wo regelmäßig Lebensmittel übrig blieben. Batzill richtete die ehemalige Wäschekammer der Tagesstätte in der Paulstraße her, stattete sie mit Regalen aus und fragte bei Bäckereien und Supermärkten nach überschüssigen Lebensmitteln. „Am Anfang gab es vor allem Obst, Gemüse und Backwaren, aber die Lebensmittel wurden schnell mehr und bald spendeten auch Fabrikanten, wie der Mannheimer Nudelhersteller 3-Glocken, überschüssige Waren“, erzählt Daumel.

Von Anfang an galt das Prinzip, dass nur Menschen mit geringem Einkommen in der Tafel Weinheim einkaufen dürfen und dass diese – anders als bei vielen anderen Tafeln – die Waren selbst frei auswählen dürfen und an der Kasse bezahlen, genau wie in einem Supermarkt. „Das hat etwas mit Selbstbestimmung und Würde zu tun, auch wenn die Preise eher symbolischer Natur sind“, betont Daumel. Anfänglich hat Batzill die Tafel gemeinsam mit dem damaligen Ladenleiter Uli Schmidt und zwei ehrenamtlichen Mitarbeitern betrieben. Doch die Waren und auch der Bedarf wuchsen schnell an. Das neue Angebot sprach sich herum und schon bald kauften nicht nur Menschen ohne festen Wohnsitz bei „Appel+Ei“ ein, sondern auch Menschen, die Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld bezogen.

Für alle Anwesenden gab es u.a. gespendetes Jubiläumsbrot und eine selbstgebackene Jubiläumstorte.

„Als dann im Jahr 2006 das Ladengeschäft in der Bergstraße 73 in unmittelbarerer Nähe zur Paulstraße frei wurde, mietete der Caritasverband für den Rhein-Neckar-Kreis kurzerhand das Erdgeschoss an und die Tafel zog in die neuen Räumlichkeiten“, erklärt Stefan Dugeorge, der beim Caritasverband das Referat Soziale Dienste leitet. Seither ist die Tafel Weinheim, die seit 2006 Mitglied im Dachverband Tafel Deutschland und der Tafel Baden-Württemberg ist, aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken.

Als Nachfolger von Uli Schmidt übernahm Nazih Bazzi 2012 die Leitung von „Appel+Ei“. Inzwischen sind rund 30 Ehrenamtliche und Menschen im Rahmen einer Beschäftigungsförderung des Jobcenters im Einsatz, um den Tafelbetrieb zu stemmen. Drei Fahrzeuge mit jeweils sechs Personen rücken jeden Werktag um 8 Uhr morgens aus, um 30 Bäckereien und Supermärkte in der Umgebung anzusteuern. Anschließend werden die Waren vorsortiert, aufbereitet, im Laden einsortiert und für wenig Geld verkauft.

Hans Klemm überreichte den beiden Ladenleitern Nazih Bazzi und Reiner Rohr zum Jubiläum ein Geschenk der Tafel Baden-Württemberg.

Die Tafel Weinheim ist für Bazzi ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Entwicklungen. So kommen seit 2008 verstärkt Rentner*innen zum Einkaufen, denen ihre Rente nicht ausreicht. Angesichts der derzeitigen Inflation und steigender Energiepreise lässt sich dieser Trend auch aktuell wieder verstärkt beobachten. „Seit Dezember 2022 habe ich schon 28 neue Kundenkarten an Rentner*innen ausgegeben – das ist viel!“, erzählt Bazzi. Natürlich hat sich auch die Flüchtlingsbewegung 2015 im Tafelbetrieb bemerkbar gemacht. Und seit dem Krieg in der Ukraine ist die Kundschaft nochmal um mehr als ein Drittel angewachsen. Über 2700 Menschen nutzen inzwischen das Angebot der Tafel Weinheim. „Aktuell kommen täglich ca. 150 Menschen zum Einkaufen zu uns – mit weiter steigender Tendenz“, berichtet Bazzi.

Seit elf Jahren leitet Bazzi nun den Tafelbetrieb – und zwar mit Leib und Seele. „In elf Jahren war ich nur ein einziges Mal für drei Tage krank“, berichtet Bazzi. Auch Rainer Rohr, der 2008 als Ehrenamtlicher angefangen hat und seit 2015 stellvertretender Ladenleiter ist, hat seit dieser Zeit nur einen einzigen Tag gefehlt. „Unsere Arbeit ist uns einfach zu wichtig“, sagt Bazzi. „Menschen, die wenig haben, ein selbstbestimmtes Einkaufen und etwas mehr finanziellen Spielraum zu ermöglichen, ist uns einfach eine Herzensangelegenheit“, betont Bazzi. Auch Sylvia Daumel liegt ihre ehrenamtliche Arbeit am Herzen. „Am allerschönsten ist die Dankbarkeit, die wir von den Menschen, die bei uns einkaufen, erfahren.“, erzählt sie. Besonders gerührt war sie von einer älteren, schwer kranken Frau, der es ein Bedürfnis war, aus den bei der Tafel gekauften Früchten Marmelade zu kochen und den Tafel-Mitarbeiter*innen zu schenken.

Ulrike Herrmann vom Weinheimer Mittagstisch hatte damals die Tafel gemeinsam mit Alexander Batzill gegründet.

20 Jahre Tafel Weinheim sind auch für Nazih Bazzi ein willkommener Anlass, um Danke zu sagen: „Allen voran möchten wir uns bei unseren ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen bedanken, ohne die der Tafelbetrieb schlichtweg nicht möglich wäre. Viele von ihnen sind schon seit vielen Jahren dabei. Ein großes Dankeschön geht an unsere Supermärkte, Discounter, Hersteller, Unternehmen und private Spender*innen, die uns mit Sachspenden wie Lebensmittel, Obst, Gemüse, Kühl- und Tiefkühlware, Hygiene- und Putzmittel, Tierfutter und vielem, vielem mehr unterstützen. Nur durch diese Sachspenden können wir jeden Morgen öffnen und so unseren Kund*innen einen Einkauf für wenig Geld ermöglichen. Sehr herzlich bedanken wir uns bei den Betrieben, Firmen, Banken, Stiftungen, Sponsoren und privaten Spender*innen. Dank ihrer finanziellen Spenden konnten wir viele Probleme lösen und Anschaffungen tätigen, die sonst nicht möglich gewesen wären. Ein besonderer Dank geht an die Stadtverwaltung Weinheim, die immer ein offenes Ohr für uns hat und unsere Belange unterstützt, wo immer es geht.“

Die Tafel Weinheim ist auf diese Unterstützung auch weiterhin angewiesen. „Wir sind für jede Ware, jede Geldspende und jede ehrenamtliche Hilfe dankbar – damit auch in den nächsten 20 Jahren Menschen mit geringem Einkommen für wenig Geld bei uns einkaufen können!“, betont Bazzi.

Spendenkonto:

Caritasverband für den Rhein-Neckar-Kreis e.V.
IBAN: DE50 6602 0500 0001 7025 00
Bank für Sozialwirtschaft Karlsruhe
Verwendungszweck: „Tafel Weinheim“

Kontakt:

Tafel Weinheim Appel+Ei
Nazih Bazzi
Paulstr. 2
69469 Weinheim
Telefon: 06201 392115
weinheimertafel@caritas-rhein-neckar.de

Weitere Informationen zur Tafel Weinheim finden Sie unter https://caritas-rhein-neckar.de/tafel-weinheim/